Petersen Traute

Julia – Glanz und Tragik einer Kaisertochter

Verlag: Philipp von Zabern, Mainz
Erscheinungsjahr: 2010
Umfang: 184 S.
ISBN-13: 978-3-8053-4237-7
Preis: 17,90 €

Dieses Buch beim Verlag...Dieses Buch bei amazon.de...Dieses Buch bei buecher.de...Geschichtserzählung, historischer Roman in einem anschaulichen Lesebändchen – Traute Pe-tersen (*1941) greift das Schicksal der Kaisertochter Julia (* 39 v.Chr. – Freitod 14 n.Chr.) mit „Unmut und Mitgefühl“ aus der Perspektive der Hauptfigur als Ich-Erzählerin auf: krimi-nalistisch dechiffriert sie dubios-verbrecherische Machenschaften, die in einem täterorientier-ten Geschichtsbild mündeten, das bis in die Gegenwart kaum ins Wanken gebracht wurde, das Mitgefühl der Autorin gilt wenig beachteten oder gezielt dem Vergessen überantworteten Op-fern antiker Regierungskriminalität, v.a. der Kaisertochter Julia und deren Kindern.

Traute Petersen hat als Historikerin weiße Flecken der geschichtlichen Überlieferung über das Zeitalter des Augustus aufgedeckt, Hintergründe des sog. „Julia-Skandals“ entschlüsselt und ein Geschichtsbild streng auf die Quellen gestützt rekonstruiert, handelnde Personen und die erzählten Vorgänge belegt.

Der historische Roman setzt mit der Verbannung Julias nach Aufdeckung von Verschwörungs plänen ein, während ihr Vater Augustus sein 25-jähriges Regierungsjubiläum als „pater patriae“ feiert: Verbannungsort der Jahre 2 v.Chr. bis 5 n.Chr. ist die kleine Insel Pandateria (heute: Ventotene) vor der Küste Kampaniens, sturmumtostes Gefängnis für die „schamlose Ehe-brecherin“ – krasser Gegenpol zum Glanz der kaiserlichen Villa zu Rom, ein Fall, wie er tiefer nicht ausfallen konnte. Die Autorin beschreibt einfühlsam die Gedanken- und Gefühlswelt der verstoßenen Kaisertochter, ihre Haß- und Rachegefühle zwischen Nostalgiebildern („Goldener Käfig“), Sehnsucht nach Rom, nach ihren Kindern und Freunden, nach sinnvoller Tätigkeit und eigenen Freitodgedanken gegen ihren um Machterhalt und Deutungshoheit seiner po-litischen Leistung bemühten Vater Augustus (vgl. Kap. IV und passim). Die flüssige Ich-Erzählung wird unterbrochen durch die Korrespondenz mit Gaius und Tiberius, die Julia erneut ins „Zwielicht der Macht“ (ver-) führt, Heiratspolitik, Sicherung der Alleinherrschaft durch den Vater über die Funktion des Pontifex Maximus (Oberpriester und oberster Sittenrichter), Absicherung der Herrschaft der eigenen gens, Klientelpolitik.
Nach außen hin wird das ausschweifende Leben der Julia als Grund für das Zerwürfnis zwi-schen ihr und Augustus genannt, Traute Petersen arbeitet sehr differenzierend heraus, wie die innere Entwicklung des Prinzipats Julia zur Verschwörerin werden ließ: die Vermischung von Öffentlichem und Privatem, Bestechung durch Günstlingswesen, Geldgeschenken, „panem et circenses“-Aktionen, patriarchalische Despotie anstelle von (Bürger-) Freiheit, Spitzel- und Denunziantentum generieren einen Überwachungsstaat, denn – so Julia – „Frei sprechen und denken darf in Rom nur, wer todessüchtig ist“. Der Disput zwischen Vater und Tochter eska-liert, als Julia mit der Feststellung provoziert: „Nur wo der Geist frei ist, ist auch der Staat frei!“ – Am Tag nach der Einweihung des Augustus-Forums sollte die Kaisertochter verbannt werden.

Teil II des Romans zeigt, wie sich die Hoffnung auf eine Rückkehr nach Rom zerschlägt und widmet sich dem „künftigen Aufenthaltsort“ Rhegium (gr. Rhegion, heute Reggio di Cala-bria) an der Straße von Messina, quasi ein Verbannungsort auf dem Festland für die Jahre 5 – 14 n.Chr., wo Julia zunächst Hoffnung auf eine Unterstützung ihrer Kinder hegt, schließlich „vatermörderische Wünsche“ und Hoffnung auf eine Regierungsübernahme durch Tiberius.

Der Tod des Kaisers Augustus gibt Rätsel auf und heizt Gerüchte an, mehr noch der Tod des Agrippa – „ermordert auf kaiserlichen Befehl“ . Ein Brief von Tiberius als „Erbe und Voll-strecker“ des Testaments macht Julia klar, dass auch ihre letzten Hoffnungen zerstieben: Die Verbannung der Kaisertochter Julia und deren Tochter Julia „soll in der bisherigen Form bestehen bleiben. Weder meine Tochter noch meine Enkelin sollen nach ihrem Tod in dem von mir erbautem Mausoleum beigesetzt werden“, d.h. erklärte Rache über den Tod hinaus. Ein weiteres Schreiben des Tiberius setzt Julia davon in Kenntnis, dass sie auch um ihre an-teiligen Vermögenswerte durch Verfügung ihres Vaters gebracht sei. Und Tiberius verschärft den Status der Julia zusätzlich: Hausarrest, keine sozialen Kontakte, begrenzte Essensrationen Sollen den Tod auf Raten bewirken, Gipfel der Intrigen gegen die Kaisertochter. Selbst ein Tiberius kann Julia nicht mehr hindern, sich von einem Leben in Unfreiheit durch eigenen Ent schluß zu befreien – Freitod als Dokumentation der Freiheit?
Das „Lesebändchen“ rundet eine orientierende Zeittafel (63 v. Chr. bis 14 n. Chr.), ein kom-mentiertes Personenverzeichnis (Aeneas – Vipsania), ein Glossar, ein Literaturverzeichnis und ein Auszug aus dem Stammbau des julisch-claudischen Kaiserhauses ab. Traute Peter-sens Roman ist für den an der augusteischen Epoche als „Goldenem Zeitalter“ orientierten geschichtsinteressierten Schüler, Studenten und Lehrer ein gelungener Versuch, historische Kompetenz auf der Basis von Lesekompetenz zu erwerben. Seine Lektüre kann den Latein-unterricht ebenso beleben wie einen Projektunterricht im Fach Geschichte.

Willi Eisele

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