Eckhard Jesse

Diktaturen in Deutschland
Diagnosen und Analysen

Verlag: Nomos Verlag, Baden-Baden
Erscheinungsjahr: 2008
Umfang: 552 S., broschiert
ISBN-13: 978-3-8329-3679-2
Preis: 69,00 €

Dieses Buch bei amazon.de...Dieses Buch bei buecher.de...Sowohl den theoretischen Grundlagen, als auch den spezifischen Mechanismen von Demo-kratie und Extremismus sind die wissenschaftliche Forschungsarbeiten des sächsischen Poli-tologen Eckhard Jesse (* 1948, Wurzen) gewidmet, deren Ertrag seit 1989 im gemeinsam mit Uwe Backes edierten ?Jahrbuch für Extremismus und Demokratie? zugänglich ist. Diesem Arbeitsschwerpunkt ist auch die aktuelle Publikation ?Diktaturen in Deutschland? zuzuord-nen, die in 23 Beiträgen eine grundsätzliche Analyse der Theoriedebatte zum Schlüsselbegriff ?Totalitarismus? (Teil I, S. 11 ? 182) bietet, gefolgt von exemplarischen Zäsuren in der deutschen Geschichtsforschung des 20. Jhdts. ? vom Stand der ?Reichstagsbranddebatte ? 55 und 70 Jahre danach?, einer kritischen Betrachtung von den gescheiterten ?Konterrevolutio-nen? 1953, 1956 und 1968 bis zur ?friedlichen Revolution 1989?, wobei der Autor den Blick auf die doppelte Vergangenheitsbewältigung in und um Deutschland nicht scheut ? wohl wissend, dass im Vergleich zwei ?deutsche? Diktaturen in ihren Strukturen und Akteuren sehr differenziert gesehen werden müssen, und es nur im Vergleich möglich ist, Staatsformen und Systeme zu charakterisieren: sie sind daran zu messen, wie sie sich auf die darin lebenden Menschen in der Realität auswirken (Teil II, S. 183 - 375). Es sind die systemkonformen, li-nientreu gläubigen Parteigänger ebenso wie die systemfernen, in kritischer Distanz und Geg-nerschaft real existierenden Frauen und Männer, die für die DDR (Teil III, S. 379 - 542) die Frage rechtfertigen, wie viel kritische Masse nötig ist, um eine Implosion des Systems und den Sturz einer (Partei-) Diktatur zu erreichen. Für die historisch-politische Würdigung des in neren Gärungsprozesses seit 1968/1976 liefert das Streben nach Demokratie 1989/90 (?Wir sind das Volk!?) und staatlicher Einheit (?Wir sind ein Volk!?) die Regiefolge - vgl. auch Zbi gniew Brzezinskis Bild vom ?gescheiterten Experiment? des Kommunismus (1989) oder die Distanzierung von namhaften Bürgerrechtlern gegenüber der Wortwahl ?Wende? (2004) zu-gunsten des Begriffs ?friedliche Revolution?, der die ?Doppelnatur der Vorgänge einfange: zum einen die Friedlichkeit, zum anderen die Massivität des Umbruchs?. Eckhard Jesse belegt anhand der Ereignisse 1989/90, dass die DDR keine ?zweite deutsche Diktatur?, sondern eine ?zweite Diktatur in Deutschland? war, gescheitert am mangelnden Selbstbehauptungsvermö-gen der SED und dem Wegfall der Existenzgarantie durch die UdSSR. Eckhard Jesse lenkt den Blick auf unterschiedliche Tendenzen des Bürgerwillens: die Zentralisten unter Modrow (?Berliner Weg?) reisten 1990 nach Bonn, die Foederalisten (?Dresdener Weg?) reisten nach Stuttgart und München, um auf der Basis einer eigenständigen Staatlichkeit den Wert des GG und der Gesetzgebung der Länder (?Freistaat?) zu nutzen (vgl. Michael Richter, 2004). Zu-recht lenkt der Autor den Blick des Lesers über Leipzig und Dresden hinaus auf Plauen im Vogtland, das sich in benachteiligter Randlage zu DDR-Zeiten ein ?gewisses rebellisches Potential? gehalten hatte (Pf. Thomas Küttler, 1993). Quasi als ?letzten Beweis?, dass es das Volk war, das die friedliche Revolution bewirkt hat, schließt Eckhard Jesse den Band mit ei-ner Analyse zur DDR-Volkskammer ab (S. 517 ? 542), von der SED-Altkader und manche Vertreter von Blockparteien bis heute gerne rechtfertigend behaupten, sie sei ?das Pendant zum Deutschen Bundestag? gewesen: zwischen 1950 und 1986 schwankte die Wahlbeteili-gung zwischen 98,53% und 99,74% und die ?Zustimmung? zur Einheitsliste der ?Nationalen Front? zwischen 99,72% und 99,94%. Seit 1963 ist die Mandatsverteilung auf die SED, die Blockparteien (CDU, LDPD, DBD, NDPD) und die ?Massenorganisationen? als ?Transmis-sionsriemen? der SED (FDGB, DFJ, DFD, KB) konstant. Die Sitzungsfrequenz reduzierte sich von 1950/59 mit 116 Tagen auf 1980/86 zu 19 Tagen ? Fakten, die den Demokratiebe-griff der SED (?Demokratischer Zentralismus?) eindrucksvoll belegen.

gez. Willi Eisele, OStD
Landesvorsitzender des BGLV e.V.
und der Landesfachgruppe G/Sk im bpv


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