Grafe Roman

Die Schuld der Mitläufer
Anpassen oder Widerstehen in der DDR

Verlag: Pantheon Verlag, München
Erscheinungsjahr: 2009
Umfang: 204 S. Paperback, 81 SW Photos
ISBN-13: 978-3-570-55106-6
Preis: 12,95 €

Dieses Buch beim Verlag...Dieses Buch bei amazon.de...Dieses Buch bei buecher.de...Roman Grafe (*1968) und 21 weitere Zeitzeugen, darunter Prominente wie der Liedermacher Wolf Biermann (*1936), der Germanist Karl Corino (*1942), die Theaterregisseurin und Fil-memacherin Freya Klier (*1953) und ihr Ex-Partner Stefan Krawczyk (*1955), der Schrift-steller Reiner Kunze (*1933), die Thüringer Theologin Ulrike Lieberknecht (*1956), der Jour-nalist und Schriftsteller Erich Loest (*1926), die DEFA-Dramaturgin Sibylle Schönemann (*1953) oder den Greizer Schriftsteller Günter Ullmann (*1946) gehen in dem Sammelwerk dem „Schweigen der Mehrheit“ der DDR-Bürger nach und nehmen Stellung zu Zeugnissen von Staats-Hörigkeit oder Aufbegehren in einer angepassten (Diktatur-) Umwelt.

Widerstand in einer Diktatur hat viele Facetten – wie gefährlich sie im einzelnen durch die SED-Funktionäre und v.a. durch das MfS als parteieigene Ermittlungsinstanz („Schwert und Schild der Partei“) in operativen Vorgängen „bearbeitet“ wurde, erläutern die Autoren am ei-genen Beispiel und am Zeugnis von Nachbarn und Mitbürgern. Anekdoten aus dem Privatbe-reich und Berichte über „zu klärende Sachverhalte“ verdeutlichen unserer Jugend die Peinlich keit ostalgischer Wortschöpfungen im Interesse der Relativierung der zweiten Diktatur auf deutschem Boden: „gemütliche Knechtschaft“ (Stasi-Arzt Dr. Dr. Böttger, Hohenschönhau-sen), „Konsensdiktatur“ (Martin Sabrow über die Geschichtswissenschaft in der DDR) oder„kommode, moderate Diktatur“ (Günter Grass). Wolf Biermann bringt es auf den Punkt: „Wir haben es erlebt, erlitten und genossen: In einer totalitären Diktatur kann schon ein Wimpern-schlag der Widersetzlichkeit Widerstand bedeuten, weil solche eine totalitäre Diktatur halt nur total funktioniert oder gar nicht“. Wer die Nachkriegsgeschichte in Deutschland heute als „asymmetrische Parallelgeschichte“ verklärt, trägt annähernd gleiche Verantwortung für Ver-harmlosung wie jene, die einen Diktaturvergleich völlig undifferenziert ablehnen.

Es ist mehr als ein Kapitelteiler, wenn wir Karl Jaspers Ethik-Zitat eingeschärft bekommen: „Es ist jedes Menschen Mitverantwortung, wie er regiert wird. (...) Es gibt eine Solidarität zwischen Menschen als Menschen, welche einen jeden mitverantwortlich macht für alles Unrecht und alle Ungerechtigkeiten in der Welt, insbesondere für Verbrechen, die in seiner Gegenwart oder mit seinem Wissen geschehen. Wenn ich nicht tue, was ich kann, um sie zu verhindern, so bin ich mitschuldig“ (aus: „Die Schuldfrage“, 1946).

In „Lügenmärchen vom guten Stasi-Mann“ zitiert Roman Grafe den französischen Doku-mentarfilmer Marcel Ophüls mit dem Satz: „Die Mitläufer bleiben immer die Sieger“ (1996) und überträgt ihn auf das Medienecho auf den mehrfach prämierten Film „Das Leben der anderen“ (Ulrich Mühe als Stasi-Hauptmann Wiesler), den Erich Loest ein „schädliches Mär-Chen“ genannt hat (Deutschland-Archiv, 3, 2007). Roman Grafe sieht in dem Film ein be-wußt gewolltes Verwischen von Verantwortlichkeiten, eine Verklärung der Stasi der DDR bis in die Details (S. 177). Überhöht kommt dies in einem Interview Florian Henckels von Don-nersmarck zum Ausdruck: „Menschen wie Wiesler, die dem System die Gefolgschaft aufkün-digten, waren nötig, damit es 1989 zu einer friedlichen Revolution kommen konnte“. Grafe:„Revolution durch Schweigen, wer möchte da nicht mitgeholfen haben?“ Seine Kritik betrifft auch Stefan Kolditz’s Dokumentarlegende vom „guten Grenzsoldaten“ im ZDF-Film „An die Grenze“ (2007), auch als „kleines Fernsehwunder“ bezeichnet von Kerstin Decker (*1962, zu DDR-Zeiten Absolventin des „Roten Klosters“, taz/Tsp).

gez. Willi Eisele, OStD
Landesvorsitzender des BGLV e.V.
und der Landesfachgruppe G/Sk im bpv


Dieses Buch beim Verlag...
Dieses Buch bei amazon.de...
Dieses Buch bei buecher.de...


(C) 2011 - Alle Rechte vorbehalten

Diese Seite drucken