11. Regensburger Jubiläumskontaktstudium für Geschichtslehrer: „Das Lernpotenzial außerschulischer Lernorte – Regensburg und Umgebung“
70 Geschichtslehrer vorwiegend oberpfälzischer und niederbayerischer Gymnasien, Berufs-/ Fachober- und Realschulen folgten der Einladung des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus und der Abteilung Geschichtsdidaktik an der Universität Regensburg, die in Zusammenarbeit mit dem Bayerischen Geschichtslehrerverband und der Bezirksfachgruppe Geschichte/Sozialkunde Oberpfalz im Bayerischen Philologenverband das elfte Regensburger Kontaktstudium ausrichteten.
In seiner Eröffnungsansprache betonte der Rektor der Universität Regensburg, Prof. Dr. Thomas Strothotte, wie wichtig eine enge Zusammenarbeit zwischen Universität und Schule für die gesellschaftliche Entwicklung des Landes sei. Laut Studiendirektor Albert Freier von der MB-Dienststelle für die Gymnasien in der Oberpfalz ist in Regensburg eine enge Kooperation auch dadurch gewährleistet, dass ehemalige Gymnasiallehrer an der Universität Geschichtsdidaktik lehren. OStR Theo Emmer vom Bayerischen Geschichtslehrerverband und dem Bayerischen Philologenverband freute sich über den schularten- und regierungsbezirksübergreifenden Teilnehmerkreis und dankte den Veranstaltern, vor allem dem wissenschaftlichen Leiter AOR Dr. Josef Memminger (Leiter der Abteilung Geschichtsdidaktik an der Universität Regensburg), und allen Referenten für ihr Engagement.
Dr. Josef Memminger erörterte in seinem Einführungs- und Grundlagenvortrag „Geschichte findet v. a. draußen statt!“ die Bedeutung und das Potenzial der Einbeziehung außerschulischer Phänomene für den Geschichtsunterricht. Als Einstieg in seine Ausführungen diente dem Referenten die historische Entwicklung der ehemaligen Von-der-Tann-Kaserne in Regensburg, deren Gebäude heute Behörden beherbergen und deren Exerzierplatz seit Ende der 50er Jahre als Park genutzt wird. Grundsätzlich gebe es für außerschulische Lernorte vier Hauptkategorien: Die „historischen Orte“ im engeren Sinne, die Stätten der Sammlung, Erforschung und Präsentation von Geschichte (wie Museen oder Archive), „virtuelle Orte“ sowie geschichtskulturelle Phänomene (z. B. Erlebnisführungen, Re-enactment-Events, Mittelaltermärkte). Das Schlagwort Geschichtskultur habe in den letzten Jahren in der Didaktik enorm an Bedeutung gewonnen; daher sei es Aufgabe der Schule, Schülerinnen und Schüler zu befähigen, sich mit geschichtskulturellen Angeboten kritisch auseinanderzusetzen, um – neben anderen bedeutenden Kompetenzen – „Orientierungskompetenz“ zu erwerben. Am Ende des Vortrags lieferte Memminger praktische Tipps für den Unterricht, mit denen außerschulische Lernorte entdeckend-produktiv erschlossen werden können.
Prof. Dr. Christian Kuchler, der eine Professur für Didaktik der Gesellschaftswissenschaften an der RWTH Aachen innehat, setzte sich dann vor allem mit der Kategorie der „historischen Orte“ im engeren Sinne auseinander. Zu Beginn kontextualisierte er den Themenkomplex vor dem Hintergrund des sogenannten „spatial turns“, also der Hinwendung zum „Raum“ in Geschichtswissenschaft und Geschichtsdidaktik. In einem zweiten Teil wurden an den lokalen Beispielen Regensburg und Osterhofen Möglichkeiten aufgezeigt, multisensorisches Lernen zu initiieren. Und schließlich erörterte der Referent die besondere historische Dignität von UNESCO-Welterbestätten; eine solche stellt ja auch die Altstadt von Regensburg mit Stadtamhof dar.
Bezirksheimatpfleger Dr. Tobias Appl führte dem Plenum Möglichkeiten und Beispiele der Erkundung historischer Orte außerhalb ausgetretener Pfade vor Augen. Zuerst stand dabei die Kreuzhofkapelle bei Barbing im Mittelpunkt, ein bedeutendes Baudenkmal, das insgesamt (zu) wenig bekannt ist. Als Nächstes widmete sich Appl den Spuren des Immerwährenden Reichstags in Regensburg, unter anderem am Beispiel des Gesandtenfriedhofs bei der Dreieinigkeitskirche. Zum Abschluss wurde auch die Neueste Geschichte gestreift, indem Erinnerungspunkte zu den Messerschmitt-Werken während der Zeit des Nationalsozialismus vorgestellt wurden.
Am Nachmittag standen zwei Workshops auf dem Programm: AOR Dr. Heinrich Konen vom Lehrstuhl für Alte Geschichte stellte das mittlerweile überregional bekannte Projekt „Navis Lusoria“ vor, bei dem eine römische Flussgaleere mit Methoden der experimentellen Archäologie nachgebaut und für Forschungszwecke „getestet“ wurde. Auch Schulklassen können schon seit Längerem „rudern wie die Römer“. Sie empfinden durch Fahrten auf der Galeere nach, wie die Verteidigung der Reichsgrenze über solche Flussgaleeren funktionierte. Dr. Josef Memminger gab Einblick in den Stand der von der Robert-Bosch-Stiftung geförderten „Denkwerk“-Initiative „Lernort Weltkulturerbe Regensburg“, wobei besonders die Teilprojekte präsentiert wurden, die mit der Erforschung historischer Orte zu tun hatten.
Den Abschluss des Fortbildungstages bildete eine gemeinsame Exkursion zum „Besucherzentrum Welterbe“ im Salzstadel bei der Steinernen Brücke in der Regensburger Innenstadt. Der Welterbekoordinator der Stadt, Matthias Ripp, führte die Teilnehmer durch die Präsenzausstellung und erläuterte die Konzeption, den Aufbau und die gestalterischen Mittel, die die Präsentation, die ein erster Anlaufpunkt für Besucher Regensburgs sein soll, zu einem echten „Multimedia-Erlebnis“ machen.
Das erfolgreiche Regensburger Kontaktstudium wird fortgesetzt: Unter dem Arbeitstitel „Geschichte des Rassismus“ sind für den 7.11.2013 Geschichts- und Sozialkundelehrer angesprochen, für 2014 wird wieder eine geschichtsdidaktische Veranstaltung angepeilt.
Theo Emmer
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