12. Regensburger Kontaktstudium

12. Regensburger Kontaktstudium für Geschichts-Sozialkundelehrer:
„Geschichte des Rassismus“


80 Geschichts-/Sozialkundelehrer vorwiegend oberpfälzischer und niederbayerischer Gymnasien, Berufs-/ Fachober- und Realschulen folgten der Einladung des Bayerischen Staatsministeriums für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst und des Instituts für Anglistik und Amerikanistik an der Universität Regensburg, die in Zusammenarbeit mit dem Bayerischen Geschichtslehrerverband, der Bezirksfachgruppe Geschichte/Sozialkunde Oberpfalz im Bayerischen Philologenverband und dem Regensburg European American Forum das zwölfte Regensburger Kontaktstudium ausrichteten.

In ihren Eröffnungsansprachen gingen der neue Präsident der Universität Regensburg, Prof. Dr. Udo Hebel, sowie Studiendirektor Albert Freier von der MB-Dienststelle für die Gymnasien in der Oberpfalz auf Bedeutung und wesentliche Anliegen dieser Fortbildungsveranstaltung zum Thema „Geschichte des Rassismus“ ein. Studiendirektor Theo Emmer vom Bayerischen Geschichtslehrerverband und dem Bayerischen Philologenverband freute sich über den schularten- und regierungsbezirksübergreifenden Teilnehmerkreis und dankte den Veranstaltern, vor allem dem wissenschaftlichen Leiter Prof. Dr. Volker Depkat (Professor für Amerikanistik an der Universität Regensburg und Historiker), und allen Referenten für ihr Engagement.

Für die Eröffnungspräsentation „Rassismus in Ideologie und Praxis des deutschen Kolonialismus“ hatte Volker Depkat den Münsteraner Experten Prof. Dr. Horst Gründer gewonnen. Der deutsche Kolonialismus war Teil einer globalen Kolonialismusbewegung. Dabei dienten verschiedene, meist pseudowissenschaftliche Quellen als Rechtfertigung für die Unterwerfung und Kolonialisierung indigener (einheimischer) Völker: Verbreitet waren verschiedene Rassenideologien, aus der Bibel abgeleitete Theorien, biologische Rechtfertigungen auf Basis von Abstammungslehren, philosophische Theorien (u.a. Hegel, Kant) und das Prinzip des Sozialdarwinismus. # Was die Haltung der deutschen Kolonialisten gegenüber den Einheimischen betrifft, lassen sich vier verschiedene Standpunkte ableiten. Der paternalistische Standpunkt sah den Afrikaner entwicklungsgeschichtlich als Kind an, das es nach dem Prinzip „streng aber gerecht“ zu zivilisieren gelte. Der radikal-rassistische Standpunkt war geprägt von der Überzeugung, dass Afrikaner und Chinesen kaum zu zivilisieren seien, woraus Helotendasein oder Vernichtung konstruiert wurden. Der dritte Standpunkt war geprägt vom christlichen Missionierungsgedanken, welcher in der Folge auch die Möglichkeit einer relativ freien einheimischen Wirtschaft in Betracht zog; die gefühlte Verantwortung der Missionare für die Erziehung der indigenen Völker führte aber auch hier zu einem Abhängigkeitsverhältnis. Zuletzt nannte Gründer den rational-utilitaristischen Standpunkt, dessen Vertreter möglichst viel wirtschaftlichen Profit aus den Kolonien ziehen wollten, wofür sie eine Erziehung der Eingeborenen ebenso für notwendig hielten. # Gründer skizzierte aber auch individuelle Beispiele von Gouverneuren (Samoa, Papua-Neuguinea), die die Erhaltung der indigenen Kulturen forcierten, Einheimische in die Verwaltung einbezogen, „Mischehen“ zuließen und das Prädikat des „Kulturdeutschen“ verliehen. # Daraus lässt sich schließen, dass der Rassismus in den deutschen Kolonien verschiedene Spielarten kannte und dass aufgrund individueller Akteure und deren Überzeugungen die Behandlung der Einheimischen in den verschiedenen Regionen mitunter deutliche Unterschiede zeigte.

Zu Beginn seiner Präsentation „Rassismus in der Geschichte der USA“ klärte Prof. Dr. Manfred Berg, der eine Professur für amerikanische Geschichte an der Universität Heidelberg innehat, den Begriff „Rassismus“, indem er das Rassedenken der Neuzeit untersuchte, eine typologische Unterscheidung zwischen Ausbeutungs- und Ausrottungsrassismus vornahm, Rasse als soziale Konstruktion darstellte und Rassismus und Ethnozentrismus gegenüberstellte. # Die Geschichte des Rassismus gegenüber den Afro-Amerikaner in Nordamerika beginnt mit der Sklaverei, wobei strittig ist, ob rassische Stigmatisierung Konsequenz oder Voraussetzung war. „Rassenmischungen“ sollten verhindert werden. Thomas Jefferson war im Widerspruch zu der von ihm verfassten Unabhängigkeitserklärung selber Sklavenhalter, mit einer seiner Sklavinnen hatte er eine Beziehung. # Berg skizzierte die Entwicklung der Afro-Amerikaner von Sklaven zu freien Bürgern. Ein Meilenstein dabei waren die Verfassungszusätze nach dem Bürgerkrieg (1865 Verbot der Sklaverei, 1868 Schwarze US-Bürger / Gleichheit vor dem Gesetz, 1870 gleiches Wahlrecht für schwarze Männer). Demgegenüber standen institutionalisierte Versuche, die rechtliche Gleichstellung zu unterwandern (etwa Jim-Crow-Laws zur Rassentrennung 1876. Das Bürgerrechtsgesetz von 1964 verbot die Rassentrennung in öffentlichen Einrichtungen sowie die Diskriminierung wegen Rasse, Geschlecht, Religion. # Berg ging jedoch nicht nur auf die Afro-Amerikaner ein, sondern betrachtete auch immer wieder das Verhalten gegenüber den Ureinwohnern, Asiaten und Lateinamerikanern. # Die Präsentation wurde mit dem Gedanken abgerundet, dass Rassismus aus der US-Gesellschaft immer noch nicht verschwunden ist (Fall Trayvon Martin 2012!).

„Geschichte des Rassismus – Ideologie, Strukturen und Prozesse“ war der Vortrag von Prof. Dr. Boris Barth (Konstanz) überschrieben. Den Begriff „Rassismus“ gibt es erst seit den 1920er Jahren, obwohl es das Phänomen an sich schon früher gab. Der Begriff „Rasse“ wurde hingegen schon vorher verwendet, war jedoch ein sehr weit gefasster Begriff und hatte andere Konnotationen als heute. Auch der Begriff „Genozid“ kann problematisch sein, da er etwa im US-Amerikanischen eine sehr viel breitere Bedeutung als „Völkermord“ hat. # Im zweiten Teil seines Beitrags betrachtete Prof. Dr. Boris Barth verschiedene Eckpunkte in der Geschichte. Es gibt Belege, wonach die Römer keine Vorstellung von menschlichen Rassen hatten; diese beginnen in der frühen Neuzeit. Formen der Abgrenzung entwickelten sich erst durch den Sklavenhandel bzw. in europäischen Siedlergesellschaften, theoretische Begründungen kamen Ende des 18. Jahrhunderts durch den Einfluss der Aufklärung. Zwei unterschiedliche Ansätze sind die Monogenese, die von einem einzigen Ursprungsraum der Menschheit ausgeht, und die Polygenese, nach der die Menschheit an unterschiedlichen Stellen entstanden ist. # Barth zeigte des Weiteren den Zusammenhang zwischen Darwins Evolutionstheorie und Rassismus auf. Der Sozialdarwinismus wurde oft falsch interpretiert und so wurden Ideen hergeleitet, die nicht in der Darwins Theorie enthalten waren. # Ein neuerer Forschungsstrang war laut Berg die Eugenik, die sich im Besitz einer eindeutigen biologischen Wahrheit glaubte. Schon vor dem Ersten Weltkrieg existent, fand sie vor allem danach Anwendung und gipfelte in der nationalsozialistischen „Rassenhygiene“. # Der Vortrag endete mit einer Problematisierung des Begriffs „Ethnie“, der das Bedürfnis nach Kategorisierung widerspiegelt. Der Erste Weltkrieg zerstörte multiple Identitäten, es kam der Zwang auf, sich zu einer Identität bekennen zu müssen. Die Nazis trieben das dann zum Extrem.

Das Regensburger Jubiläumskontaktstudium für Geschichts- und Sozialkundelehrer unterstrich einmal mehr die Bedeutung der Vernetzung von Universität und Schule über das Angebot der Lehramtsstudiengänge hinaus. Die nächsten beiden Runden der erfolgreichen Reihe sind schon angedacht.

Theo Emmer


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