13. Regensburger Kontaktstudium

13. Kontaktstudium für Geschichtslehrer an der Universität Regensburg
„Was sagt uns das Alte Reich heute noch? Zugänge zur frühneuzeitlichen Geschichte unter besonderer Berücksichtigung des Immerwährenden Reichstages“

Über 50 Geschichtslehrer vorwiegend oberpfälzischer und niederbayerischer Gymnasien, Berufs-/ Fachober- und Realschulen, aber auch interessierte KollegInnen aus dem übrigen Bayern folgten der Einladung des Bayerischen Staatsministeriums für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst und der Universität Regensburg, die in Zusammenarbeit mit dem Bayerischen Geschichtslehrerverband und der Bezirksfachgruppe Geschichte/Sozialkunde Oberpfalz im Bayerischen Philologenverband das 13. Regensburger Kontaktstudium ausrichteten.

In ihren Eröffnungsansprachen gingen der Vizepräsident der Universität Regensburg für Studium, Lehre und Weiterbildung, Prof. Dr. Nikolaus Korber, sowie Studiendirektor Albert Freier von der MB-Dienststelle für die Gymnasien in der Oberpfalz auf Bedeutung und wesentliche Anliegen dieser Fortbildungsveranstaltung ein. Studiendirektor Theo Emmer vom Bayerischen Geschichtslehrerverband und dem Bayerischen Philologenverband freute sich über den schularten- und regierungsbezirksübergreifenden Teilnehmerkreis und dankte den Veranstaltern, vor allem den wissenschaftlichen Leitern Prof. Dr. Harriet Rudolph (Lehrstuhl für Neuere Geschichte - Frühe Neuzeit) und AOR Josef Memminger (Leiter der Abteilung Geschichtsdidaktik), der die Tagung zum größten Teil organisiert hat, sowie allen Referenten für ihr Engagement.

Prof. Dr. Harriet Rudolph skizzierte in ihrem Grundlagenvortrag zu den „Aktuellen Ansätzen der Frühneuzeitforschung am Beispiel des Immerwährenden Reichstags“, wie sich der Blick auf das Alte Reich und den Immerwährenden Reichstag als Institution im Laufe der Zeit geändert hat. Sah die ältere Forschung, geprägt vor allem vom negativen Bild preußischer Geschichtsschreibung, wenig Positives an dem zersplitterten Reichsgebilde, kamen Geschichtswissenschaftler in jüngerer Zeit zu einer wesentlich milderen, tendenziell sogar positiven Beurteilung. Nun werden von einigen Forschern vielleicht sogar zu intensiv Bezüge zur Gegenwart hergestellt, indem das zersplitterte Alte Reich als Vorbild für Staatengemeinschaften wie die EU in Anspruch genommen wird oder der Immerwährende Reichstag als avantgardistisches „Parlament“ interpretiert wird. Prof. Rudolph legte überzeugend die verschiedenen Forschungsrichtungen und Untersuchungsfelder dar und ging abschließend auch auf die weiterhin bestehenden Desiderate bei der Erforschung der Geschichte des Immerwährenden Reichstags ein.

Dr. Josef Memminger nahm den Aspekt eines Wandels in der historiographischen Deutung des Immerwährenden Reichstages auf, indem er nachwies, dass eine analoge Entwicklung in Schulbuchdarstellungen verschiedener Zeiten zu konstatieren ist. In Schulbüchern des Kaiserreichs (1871-1918) wird das Alte Reich ausschließlich negativ beurteilt und der Immerwährende Reichstag entweder gar nicht erwähnt oder mit Geringschätzung behandelt bzw. geradezu verspottet. In einem Beispiel aus einem Schulbuch von 1883 heißt es dementsprechend: „Verhöhnt vom Auslande, von den Deutschen selbst mißachtet, glich der Reichstag einer Maschine, die nur noch klapperte, ohne irgend etwas Bedeutendes auszurichten.“ Dagegen sei die Darstellung des Immerwährenden Reichstags in Schulbüchern der Gegenwart wesentlich ausgewogener, wenn auch festgestellt werden müsse, dass er nur in Lehrwerken der Realschulen (8. Klasse) und der gymnasialen Oberstufe (12. Klasse) thematisiert wird.

Dr. Christian König stellte in seinem Vortrag „Reichstagsgesandte auf Facebook“ eine Projektidee vor, die er über eine Lehrveranstaltung an der Universität Regensburg gemeinsam mit Studierenden entwickelte und die in Kooperation mit der Stadt Regensburg zum 350. Jahrestag des Zusammentretens des Immerwährenden Reichstages 2013 realisiert wurde: Für den historisch nachweisbaren britischen Reichstagsgesandten Sir George Etherege wurde ein fiktiver Facebook-Auftritt erarbeitet und der Öffentlichkeit verfügbar gemacht. In den entsprechenden Einträgen berichtet Etherege launig in der Ich-Form über seinen Alltag im 17. Jahrhundert, es werden aber zudem allgemein verständliche Erläuterungen zum Immerwährenden Reichstag und den historisch-politischen Zusammenhängen dieser Zeit geliefert. Die Seite ist aufrufbar unter: https://www.facebook.com/pages/Sir-George-Etherege-am-Reichstag-zu-Regensburg/465519200193685? fref=ts
Dr. Astrid von Schlachta widmete sich schließlich der interessanten und wenig bekannten Quellengattung: „Vom Charme des Todes. Was Leichenpredigten zur Zeit des Immerwährenden Reichstags über Gesellschaft und Politik verraten“. Sie erläuterte kenntnisreich Entstehungsumstände und Charakteristika frühneuzeitlicher Leichenpredigten und deren Funktionen, z. B. Trost, Erbauung, Ehrung des Toten, aber auch Propaganda. Am Beispiel einer Leichenpredigt des Mainzer Prinzipalgesandten Ignaz Franz Otten konnten die Teilnehmer der Fortbildung selbst erschließen, dass die Textgattung nicht nur sozial- und mentalitätsgeschichtliche Erkenntnisse liefert, sondern nicht selten auch Aussagen über das Reich und politische Angelegenheiten zu finden sind.

Den Abschluss der Veranstaltung bildete eine Exkursion in die Regensburger Innenstadt, bei der die Teilnehmer zwischen zwei Orten wählen konnten, die für die Geschichte des Immerwährenden Reichstags von zentraler Bedeutung sind und sich als Lernorte für SchülerInnen anbieten. Eine Gruppe besichtigte das Alte Rathaus und das Reichstagsmuseum. Die zentralen Versammlungsorte der Gesandten und der unterschiedlichen Kollegien am Immerwährenden Reichstag - Kurfürsten, Fürsten, Reichsstädte - können dort erkundet werden. Am eindrucksvollsten ist dabei sicher der monumentale Reichssaal, der von der Stadt Regensburg immer noch für repräsentative Veranstaltungen verwendet wird. - Die zweite Gruppe wurde ehrenamtlich von Dr. Klaus-Peter Ruess mit großer Sachkunde durch den Friedhof der protestantischen Gesandten am Immerwährenden Reichstag bei der Dreieinigkeitskirche geführt. Das erste Begräbnis hier fand 1633 statt, für die Zeit von 1641 bis 1787/1803 ist ein umfangreiches Verzeichnis aufrufbar unter: http://www.dreieinigkeitskirche.de/node/26

Das Regensburger Jubiläumskontaktstudium für Geschichtslehrer unterstrich einmal mehr die Bedeutung der Vernetzung von Universität und Schule über das Angebot der Lehramtsstudiengänge hinaus. Die nächsten beiden Runden der erfolgreichen Reihe sind schon angedacht, das Angebot im kommenden Jahr wird sich alternierend wieder auch an Sozialkundelehrer richten: Arbeitstitel „Zeitgeschichte seit 1991 - Entwicklungsprozesse, Strukturen, Akteure.

Theo Emmer


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