5. Regensburger Kontaktstudium

25. / 26. November 2005

Thema: "Gestaltete Geschichte"

Eine Druckfassung des 5. Regensburger Kontaktstudiums für Geschichtslehrer ist vorläufig nicht in Sicht.

Fast 60 Geschichtslehrer oberpfälzischer und niederbayerischer Gymnasien und einige Gäste von Berufs-/ Fachoberschulen folgten der Einladung des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus und des Lehrstuhls für Didaktik der Geschichte an der Universität Regensburg, die in Zusammenarbeit mit dem Bayerischen Geschichtslehrerverband, vertreten durch den Bezirksfachgruppenleiter Geschichte/Sozialkunde Oberpfalz im Bayerischen Philologenverband, das fünfte Regensburger Kontaktstudium ausrichteten.

Am ersten Tag traf man sich im Hotel Held im Regensburger Stadtteil Irl. In ihren Eröffnungsansprachen gingen Lehrstuhlinhaber Prof. Dr. Helmut Beilner, der Vertreter des Ministerialbeauftragten für die Gymnasien in der Oberpfalz, StD Jürgen Schulze, und OStR Emmer als Verbandsvertreter auf die wesentlichen Anliegen dieser zweitägigen Fortbildungsveranstaltung zum Thema "Gestaltete Geschichte" ein. Da bei Schülern ein hohes Interesse an historischen/historisierenden Büchern, Filmen und CDs festzustellen ist, kommt dem Geschichtsunterricht eine Korrektivfunktion zu, weshalb in der Tagung einige Schwerpunkte gestalteter Geschichte herausgegriffen wurden. Daraus ergebe sich - so Emmer - auch die Notwendigkeit einer Stärkung der Fachdidaktik Geschichte an den Universitäten, wohingegen z. B. in Regensburg in den laufenden Reformdiskussionen sogar der Status quo extrem gefährdet sei.

Prof. Dr. Karl Filser beschäftigte sich in seiner Power-Point-Präsentation "Das Denkmal als gestaltete Geschichte" zunächst mit dem Begriff des Denkmals - von bewahrenswerten Zeugnissen der Vergangenheit (Bau- und Bodendenkmäler) bis hin zu dauerhaften öffentlichen Erinnerungszeichen mit bestimmter Absicht (z. B. Erinnerungen an ein historisches Ereignis, einschließlich "moderner" virtueller Erinnerungszeichen im Internet, etwa an Soldaten eines bestimmten Krieges) - , er zeigte am Beispiel das Augsburger Friedens- und Siegesdenkmals von 1876 aber auch zeitbedingte Veränderungen und Kontroversen in der Deutung sowie Ziele und mögliche Ergebnisse bei der Beschäftigung mit solchen Denkmälern im Geschichtsunterricht auf.

In seinem Vortrag "Erzählte Geschichte in neuem Licht" wies Prof. Dr. Helmut Beilner anhand moderner Forschungsergebnisse nach, dass historisch stimmige und gezielt aufgebrochene Erzählungen nach wie vor eine gerade für jüngere Schüler motivierende methodisch-mediale Variante von Zugängen zur Geschichte sind.

Unter dem Thema "Geschichte in der Literatur" stellte Dr. Martina Langer-Plän exemplarisch Auszüge aus erzählenden Ganzschriften vor, die sich im Geschichtsunterricht einsetzen lassen: Else Urys Band "Nesthäkchen und der Weltkrieg" aus einer Mädchenbuchreihe erschien ca. 1924 und zeigt, wie eine Elfjährige die Zeit des Ersten Weltkriegs erlebte und nationalistisch entflammt an der "Heimatfront mitkämpfte". Stefan Zweigs primär psychologisierende, aber sehr quellennahe Erzählung "Der versiegelte Zug" aus seinem berühmten Buch "Sternstunden der Menschheit" von 1929 behandelt die Situation Lenins im April 1917, als er in seinem Schweizer Exil von der Revolution in Russland erfährt und verzweifelt eine Rückkehr versucht. Edward Bulwer-Lyttons 1834 erschienener Roman "Die letzten Tage von Pompeji" und Robert Harris' aktueller Bestseller "Pompeji" schildern Szenen beim Ausbruch des Vesuvs 79 n. Chr., die sich etwa mit einer populärwissenschaftlichen Sachbuchdarstellung oder der Schilderung Plinius' des Jüngeren vergleichen lassen.

Sozusagen "aus dem Nähkästchen plauderte" der freie Schriftsteller Dr. Norbert Göttler, wenn er "Zur Entstehung eines historischen Romans" referierte. In seinem Erstling "Die Pfuscherin" geht es um Amalie Hohenester, die um 1870 als "Amateurheilerin" in Landkreis Dachau aufgetreten ist, sein zweiter Roman "Der Putsch in Vatikan" spielt vor dem Hintergrund des Ersten Vatikanischen Konzils 1869/70. Schwerpunktmäßig beschäftigte sich Göttler mit seinem neuesten Roman "Roter Frühling", der die Revolution 1918/19 in Bayern erzählerisch umsetzt. Wesentliches Anliegen des Autors ist die historische Milieuschilderung. Damit der Hintergrund stimmt, musste er zunächst viel unterschiedliches Quellenmaterial lesen und auch recherchieren. Eine Auswahl der Quellen wurde im Rahmen des Seminars vorgestellt und analysiert.

Der zweite Tag des Kontaktstudiums begann mit einem kurzen Einschub aus aktuellem Anlass: Erika Ott vom Verein zur Förderung krebskranker und körperbehinderter Kinder Ostbayern stellte einen vom Kultusministerium unterstützten Kreativ-Wettbewerb vor. Im Zentrum des wissenschaftlichen Programms stand der bei Historikern kontrovers diskutierte aktuelle Film-"Hit" "Der Untergang" von Bernd Eichinger (Drehbuch, Produktion) und Oliver Hirschbiegel (Regie) über die letzten Tage im Führerbunker im von sowjetischen Truppen eroberten Berlin im April 1945. Der Film wurde den Lehrkräften im Regina-Filmtheater in Regensburg gezeigt, ein Begleitheft mit Unterrichtsmaterialien wurde ausgeteilt; obgleich es wohl vorrangig zum Ziel hat, den Filmbesuch zu fördern, wurde es allgemein als gut bewertet. Peter Poth, Geschichtslehrer am Regental-Gymnasium Nittenau, moderierte die wissenschaftliche Analyse des Films und die z. T. hitzige Diskussion. Dr. Medard Kammermeier und Marianne Mion vom Regensburger Arbeitskreis Film machten vor dem Hintergrund von filmdramaturgischen Hinweisen und Analysebegriffen kritische Anmerkungen zum "Untergang". Herausgearbeitet wurde, dass der Film zwar auf Quellen aufbaut, aber primär Unterhaltungskunst ist und somit die Grenze zwischen Dokumentarischem und Fiktionalem überschreitet. Insgesamt trage "Der Untergang" wohl kaum zu einem besseren Verständnis des Phänomens Nationalsozialismus bei. Dennoch könnte ein Filmbesuch mit der Klasse ratsam sein, zumal auch der dem Film gegenüber kritisch eingestellte Lehrer nicht verhindern kann, dass sich seine Schüler den Streifen privat anschauen, weshalb eine Aufarbeitung im Unterricht in jedem Fall sinnvoll ist. Als günstig wurde es bewertet, wenn ein Kontaktstudium sich nicht davor scheut, mit dem Zeitgeist Schritt zu halten: Schließlich stellt ein Kinobesuch für Schüler einen Motivationsschub dar.

Im Namen der bayerischen Geschichtslehrer dankte OStR Emmer den Veranstaltern, der zuständigen MB-Dienststelle für die Gymnasien in der Oberpfalz, der Universität Regensburg und insbesondere Prof. Beilner.

Theo Emmer


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